Der geschönte Luther im TV

Luther (Joseph Fiennes), Bild: ARD degeto

Luther (Joseph Fiennes), Bild: ARD degeto

Zur Abwechslung mal ein Programmhinweis, und zwar auf den Spielfilm „Luther“, der jetzt offenbar wieder durch die dritten Programme der ARD tingelt (zum Beispiel im WDR am 30. November 2013, 23:15). Er ist schönes Beispiel für die Wirksamkeit des kirchlich-medialen Komplexes. Verfilmt wurde „Luther“ 2002/2003 mit Starbesetzung (u.a. Bruno Ganz, Peter Ustinov). Und die Story schönt das Bild des Konfessionsgründers Luther auf historisch wohl nicht haltbare Weise.

Als Filmheld erinnert sich der Reformator nur im Rückblick und voller Reue an seinen Aufruf, die aufständischen Bauern auf grausamste Weise zu erschlagen. Eigentlich wäre der Aufruf selbst ein gefundendenes Fressen für jeden unabhängigen Drehbuchautor. So etwas dramatisch in Szene zu setzen, das konnte man sich eigentlich nicht entgehen lassen. Ein zorniger Ex-Mönch, der sagt: „Es ist besser, dass alle Bauern erschlagen werden als die Fürsten und Obrigkeiten, und zwar deshalb, weil die Bauern ohne Gewalt von Gott das Schwert nehmen.“* Das kommt doch gut!

Doch die Drehbuchautoren ließen sich das entgehen. Stattdessen betrachtet im Spielfilm Luther die grausam dahingemetzelten Aufständischen voller reuiger Gedanken über seine eigenen Worte. Auch Luthers eitle rechthaberische Seite ließen sie sich entgehen. Denn die Drehbuchautoren waren wohl kaum unabhängig. Produziert wurde das Werk unter anderem von der Evangelischen Kirche selbst mit Hilfe ihrer Produktionsgesellschaft EIKON selbst, mit tatkräftiger Hilfe der ARD-Produktionsfirma degeto und mit Finanzierung durch einen Finanzfonds der US-Lutheraner. In der ARD wurde das Drama mehrfach gezeigt.

Für die Behauptung des Spielfilms, dass Luther seinen Aufruf, die Bauern zu erschlagen bereut hätte, habe ich keinen Beleg gefunden. Im Gegenteil. In der von Gerhard Krause (Theologe) und dem Bischof Gerhard Ludwig Müller herausgegebenen Theologischen Realenzyklopädie**  heißt es über seine später geschriebene „Sendschrift von dem harten Büchlein wider die Bauern“: „Auf Drängen seiner Freunde nimmt er hier unwillig zu Vorwürfen Stellung und verteidigt seine Aufforderung zur Niederschlagung des Aufstandes.“

Den eitlen Fatzke Luther zu zeigen, das hätte die Spielfilmfigur sogar noch interessanter, schillernder und realistischer gemacht. Wie das klang? Nach der Kritik an seinem Schlachtaufruf hält der reale Luther am 4. Juni 1525 eine Predigt mit folgenden bemerkenswerten Sätzen: „Es sind etliche unnütze Kläffer, die legen mir mein Schreiben wider die Bauern fast übel aus…“ Das seien „Klüglinge … die mich erst wollen lehren, wie ich schreiben soll.“* Luther war der beste Schreiber, auch wenn es um Mordaufrufe im Namen des Herrn ging.

Das nächste Mal läuft er im Ersten am 31.10.2013 um 0:20 Uhr. Der Film wird uns sicher bis ins Reformationsjubiläum 2017 begleiten. Den Spielfilm sieht Hans-Ulrich Anke, Präsident des EKD-Kirchenamtes, heute noch als „gelungenes Beispiel konzertierten Zusammenwirkens“ bei crossmedialer Vermarktung.***

Mehr gefällig vom ungeschönten Luther? Voilà: „Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und daran denken, daß nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann als ein aufrührerischer Mensch; (es ist mit ihm) so wie man einen tollen Hund totschlagen muß: schlägst du (ihn) nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land mit dir.“****

* zitiert nach Heinz Schilling: Martin Luther: Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2012 **Gerhard Krause, Gerhard Ludwig Müller (Hg.) Theologische Realenzyklopädie (Berlin, New York 1993, S. 328 f.)
*** Hans Ulrich Anke: Auf die Botschaft kommt es an, in: Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern 4/2013, S. 99 f.
**** Martin Luther: Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, zitiert nach Fromm, Erich (1985): „Über den Ungehorsam“, dtv München, S. 15

Ein Gedanke zu „Der geschönte Luther im TV

  1. Rainer Marquardt

    Ich träume von dem Tag, wo es damit aufhört, dass Pfaffenvorrecht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis zur Produktion aufwändiger Filme reicht – tröstlich nur (so mich meine etwas verschüttete Erinnerung nicht trügt) vielleicht zur Erbauung des selbstgerechten Flügels der Protestanten, gewiss aber nicht zur Bekehrung Ungläubiger taugt.

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