Der kirchlich-mediale Komplex

Interessenkonflikte statt journalistischer Unabhängigkeit
(aus: Das Kirchenhasserbrevier / Der kirchlich-mediale Komplex)Mikrofon und Pult in Kirche - Foto: Carter Perrier
Bei den vielen guten Werken der Kirchen und dem gutem Willen der Kirchenredaktionen verlieren die Sender leicht das Ziel der journalistischen Unabhängigkeit aus den Augen. So fand es der Norddeutsche Rundfunk völlig in Ordnung, als sein Mitarbeiter Uwe Michelsen im Oktober 2009 in den Rat der EKD gewählt wurde, also in das höchste Gremium der evangelischen Kirche. Redakteur Michelsen leitet die NDR-Fernsehredaktion »Religion und Gesellschaft«, die auch für die Berichterstattung über evangelische Themen zuständig ist.  (Erst nach meinen Recherchen ist Michelsen von der Leitung der Redaktion im März 2010 zurück getreten)

Kirchenredakteure in Kirchenämtern

Bei der NDR-Dokumentation über Kirchen, die aufgegeben und abgerissen werden, war er der verantwortliche Redakteur. Für die Protestanten ist es eine hochaktuelle und kontroverse Frage, was mit nicht mehr benötigten Kirchen passieren soll. Darf ein hoher Kirchenfunktionär einen Bericht über solche Fragen verantworten? Oder auch Berichte über andere, konkurrierende Konfessionen und Religionen? Auf Anfrage erklärte der Sender, Uwe Michelsen werde nach seiner Wahl selbstverständlich auf dem Sender keine Meinungsbeiträge und Kommentare »von Vorgängen um den Rat der EKD« mehr abgeben. Es sei »sichergestellt, dass journalistische Themen, die die EKD auch nur am Rande betreffen, nicht von Herrn Michelsen bearbeitet werden«.10 Wenn das tatsächlich wahr ist, dann fragt sich andererseits, wie ein Sender mit einem inhaltlich derart kastrierten Fachredakteur arbeiten kann. Michelsen aber hat nach seiner Wahl gesagt hat, er wolle durch seine Mitarbeit im Rat der EKD »dazu beitragen, dass dessen Anliegen auch außerhalb der Kirche verstanden werden«.11 Ein eindeutiges Bekenntnis des gelernten Theologen zur Kirchen-PR. Aber das habe Michelsen nur als Privatmann gesagt, mit seiner NDRTätigkeit habe es nichts zu tun, erklärt sein Arbeitgeber. Was würde der Sender wohl sagen, wenn der Leiter seiner Wirtschaftsredaktion gleichzeitig ehrenamtlich im Führungsgremium eines Arbeitgeberverbandes oder einer Gewerkschaft säße und über das mit entscheidet, worüber seine Redaktion anschließend berichtet?

Lebensfragen werden zu religiösen Fragen

Die Kirchenredaktionen in den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern besetzen Themen. Lebensfragen, Soziales, Entwicklungshilfe, persönliche und ethische Konflikte, Wohltätigkeit und Religionsfragen sehen sie als ihre ureigenen Themengebiete an. Eingestreut in ihre Magazine, Diskussions­ sendungen und Dokumentationen werden die rein kirchlichen Themen. Die dahinterstehenden Interessen sind für die Zuschauer nicht immer erkennbar. Die Fernsehproduktion alpha-Entertainment liefert seit Jahren wöchentlich dem SAT1-Frühstücksfernsehen eine Serie zu, von der mittlerweile mehrere Hundert Folgen über den Sender gegangen sind: »Sunday up – Was Stars am Sonntag machen«. Der Sonntag eröffnet ein für die Kirchen erfreuliches Themenspektrum, es ist der »Tag des Herrn«. Und so erfahren die Zuschauer, dass die Moderatorin Shary Reeves öfter betet, in einer Klosterschule »höflichen Umgang« gelernt hat und »vielleicht« auch ihr soziales Engagement von da her rührt.12 Manche Prominente wie etwa der kirchenferne Udo Lindenberg merken erst während der Dreharbeiten zu »Sunday up«, wie stark die Fragestellung auf Religion getrimmt ist. Dass Lindenberg daraufhin die Dreharbeiten abbrach und das Filmteam fortschickte, half ihm nicht viel. Das bis dahin gedrehte Material wurde trotzdem konfessionsgerecht bearbeitet. Wie viele andere kirchengesponserte Beiträge auf 20 öffentlich-rechtlichen Sendern und fünf religiösen Satellitenkanälen ist auch »Sunday up« anschließend auf dem katholischen Videoportal »kirche. tv« abrufbar.

Kirchenunternehmen berichten über Kirchenthemen in den Sendern

Denn alpha-Entertainment ist ein Unternehmen der »Tellux«-Gruppe, die zu hundert Prozent den deutschen Bischöfen gehört. Tellux und ihre Tochterfirmen liefern den Sendern »ganz normale« Dokumentationen und Spiel­ filme. Außerdem aber bestimmen die konfessionell gesteuerten TV-Produzenten maßgeblich, wie die Kirchen und ihre Geschichte im Fernsehen gesehen werden. Es war die TelluxTochter provobis, die 2008 im Auftrag von ZDF/3sat und mit Förderung des Landes Bayern die sechsteilige Serie über katholische Mönchsorden produziert hat. Auf Jahre hinaus wird das Publikum deshalb keine andere Sichtweise dieses Themas in einer unabhängig produzierten Dokumentation zu sehen bekommen. Aus dem Pressetext der bischöflich-öffentlichrechtlichen Folge über die Benediktiner: »Wie einst der heilige Benedikt haben wir es heute wieder mit einer säkularen Gesellschaft zu tun, deren geistige und kulturelle Werteordnung ins Wanken geraten ist. In einer solchen Zeit sprach der Ordensgründer Worte der Hoffnung, die auch heute neue Perspektiven aufzeigen können.«13 Es ist, als ob eine TV-Produktion des Bundesverbandes Deutscher Banken mit dem Geld aus Rundfunkgebühren und staatlicher Filmförderung die Serie über die Geschichte der Banken produzieren dürfte. Wenn somit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mit seiner Weltsicht auf Sendung ginge, wäre die Aufregung der Medienkritiker groß (die einflussreichsten unter ihnen arbeiten beim evangelischen Pressedienst und schreiben für »epd Medien«). Wenn hingegen Fernsehfilme unter der Oberherrschaft evangelischer und katholischer Bischöfe entstehen, ist das anders.

Interessenkonflikte statt journalistischer Unabhängigkeit
Bei den vielen guten Werken der Kirchen und dem gutem Willen der Kirchenredaktionen verlieren die Sender leicht das Ziel der journalistischen Unabhängigkeit aus den Augen. So fand es der Norddeutsche Rundfunk völlig in Ordnung, als sein Mitarbeiter Uwe Michelsen im Oktober 2009 in den Rat der EKD gewählt wurde, also in das höchste Gremium der evangelischen Kirche. Redakteur Michelsen leitet die NDR-Fernsehredaktion »Religion und Gesellschaft«, die auch für die Berichterstattung über evangelische Themen zuständig ist. Bei der NDR-Dokumentation über Kirchen, die aufgegeben und abgerissen werden, war er der verantwortliche Redakteur. Für die Protestanten ist es eine hochaktuelle und kontroverse Frage, was mit nicht mehr benötigten Kirchen passieren soll. Darf ein hoher Kirchenfunktionär einen Bericht über solche Fragen verantworten? Oder auch Berichte über andere, konkurrierende Konfessionen und Religionen? Auf Anfrage erklärte der Sender, Uwe Michelsen werde nach seiner Wahl selbstverständlich auf dem Sender keine Meinungsbeiträge und Kommentare »von Vorgängen um den Rat der EKD« mehr abgeben. Es sei »sichergestellt, dass journalistische Themen, die die EKD auch nur am Rande betreffen, nicht von Herrn Michelsen bearbeitet werden«.10 Wenn das tatsächlich wahr ist, dann fragt sich andererseits, wie ein Sender mit einem inhaltlich derart kastrierten Fachredakteur arbeiten kann. Michelsen aber hat
174as Kirchenhasserbrevier – 1. Korr.indd 17405.03.10 08:56nach seiner Wahl gesagt hat, er wolle durch seine Mitarbeit im Rat der EKD »dazu beitragen, dass dessen Anliegen auch außerhalb der Kirche verstanden werden«.11 Ein eindeutiges Bekenntnis des gelernten Theologen zur Kirchen-PR. Aber das habe Michelsen nur als Privatmann gesagt, mit seiner NDRTätigkeit habe es nichts zu tun, erklärt sein Arbeitgeber. Was würde der Sender wohl sagen, wenn der Leiter seiner Wirtschaftsredaktion gleichzeitig ehrenamtlich im Führungsgremium eines Arbeitgeberverbandes oder einer Gewerkschaft säße und über das mit entscheidet, worüber seine Redaktion anschließend berichtet? Die Kirchenredaktionen in den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern besetzen Themen. Lebensfragen, Soziales, Entwicklungshilfe, persönliche und ethische Konflikte, Wohltätigkeit und Religionsfragen sehen sie als ihre ureigenen Themengebiete an. Eingestreut in ihre Magazine, Diskussions­ sendungen und Dokumentationen werden die rein kirchlichen Themen. Die dahinterstehenden Interessen sind für die Zuschauer nicht immer erkennbar. Die Fernsehproduktion alpha-Entertainment liefert seit Jahren wöchentlich dem SAT1-Frühstücksfernsehen eine Serie zu, von der mittlerweile mehrere Hundert Folgen über den Sender gegangen sind: »Sunday up – Was Stars am Sonntag machen«. Der Sonntag eröffnet ein für die Kirchen erfreuliches Themenspektrum, es ist der »Tag des Herrn«. Und so erfahren die Zuschauer, dass die Moderatorin Shary Reeves öfter betet, in einer Klosterschule »höflichen Umgang« gelernt hat und »vielleicht« auch ihr soziales Engagement von da her rührt.12 Manche Prominente wie etwa der kirchenferne Udo Lindenberg merken erst während der Dreharbeiten zu »Sunday up«, wie stark die Fragestellung auf Religion getrimmt ist. Dass Lindenberg daraufhin die Dreharbeiten abbrach und das Filmteam fortschickte, half ihm nicht viel. Das bis dahin gedrehte Material wurde trotzdem konfessionsgerecht bearbeitet. Wie viele andere kir175as Kirchenhasserbrevier – 1. Korr.indd 17505.03.10 08:56

chengesponserte Beiträge auf 20 öffentlich-rechtlichen Sendern und fünf religiösen Satellitenkanälen ist auch »Sunday up« anschließend auf dem katholischen Videoportal »kirche. tv« abrufbar. Denn alpha-Entertainment ist ein Unternehmen der »Tellux«-Gruppe, die zu hundert Prozent den deutschen Bischöfen gehört. Tellux und ihre Tochterfirmen liefern den Sendern »ganz normale« Dokumentationen und Spiel­ filme. Außerdem aber bestimmen die konfessionell gesteuerten TV-Produzenten maßgeblich, wie die Kirchen und ihre Geschichte im Fernsehen gesehen werden. Es war die TelluxTochter provobis, die 2008 im Auftrag von ZDF/3sat und mit Förderung des Landes Bayern die sechsteilige Serie über katholische Mönchsorden produziert hat. Auf Jahre hinaus wird das Publikum deshalb keine andere Sichtweise dieses Themas in einer unabhängig produzierten Dokumentation zu sehen bekommen. Aus dem Pressetext der bischöflich-öffentlichrechtlichen Folge über die Benediktiner: »Wie einst der heilige Benedikt haben wir es heute wieder mit einer säkularen Gesellschaft zu tun, deren geistige und kulturelle Werteordnung ins Wanken geraten ist. In einer solchen Zeit sprach der Ordensgründer Worte der Hoffnung, die auch heute neue Perspektiven aufzeigen können.«13 Es ist, als ob eine TV-Produktion des Bundesverbandes Deutscher Banken mit dem Geld aus Rundfunkgebühren und staatlicher Filmförderung die Serie über die Geschichte der Banken produzieren dürfte. Wenn somit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mit seiner Weltsicht auf Sendung ginge, wäre die Aufregung der Medienkritiker groß (die einflussreichsten unter ihnen arbeiten beim evangelischen Pressedienst und schreiben für »epd Medien«). Wenn hingegen Fernsehfilme unter der Oberherrschaft evangelischer und katholischer Bischöfe entstehen, ist das anders.

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