Kategorie-Archiv: Kirche & Staat

Ministerin Leyen: Ministrantin bei Kardinal Meisner

Kardinal Joachim Meissner, Photo: "PolskiNiemiec" - Wikicommons, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Photo (Ausschnitt): „PolskiNiemiec“  – Wikicommons, Lizenz:  https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Heute beim Empfang des Kölner Kardinals Joachim Meisner nach seinem „Soldatengottesdienst“ im Kölner Dom, zu dem er seit 1990 aus Anlass des päpstlichen „Weltfriedenstags“ einlädt. Der Kardinal versucht sich wieder mal an jovialen Sottisen – das musste schiefgehen, als Fehlgriff in die Sexismus-Kiste, als kleine Schmähung der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Er sagte: Weiterlesen

80 Jahre Ende der Demokratie – die Rolle der Kirchen

Der Deutsche Reichstag am 23. März 1933, Foto: Bundesarchiv / Wikicommons

Der Deutsche Reichstag am 23. März 1933, Foto: Bundesarchiv / Wikicommons

Christenpolitiker als Steigbügelhalter bei der Ermächtigung Adolf Hitlers zur Diktatur und der Selbstentmachtung des Deutschen Reichstags am 23.3.1933.

Einige kurze Zitate und Anmerkungen zu 80 Jahre „Ermächtigungsgesetz“.

Adolf Hitler, Reichskanzler, bestätigt in seiner Rede im Reichstag Absprachen mit der katholischen Kirche: Weiterlesen

Pfarrer Gaucks Dementis

Bundespräsident Gauck bei Besuch im Kölner Rathaus mit roter Kravatte und hoch gestrecktem Kinn

Foto: © Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

„Ich bin kein Heilsbringer“, sagte Pfarrer Gauck nach seiner Wahl.

Wie kommt er eigentlich darauf, er müsse DAS dementieren?

Ist es der Gipfel der Bescheidenheit, dass der oberste Prediger der Nation sich nicht für den Messias hält?
Auf den Mann müssen wir acht geben.

Immerhin, ein „Engel“ sei er auch nicht, sagte Gauck dem Sender n-tv. Das ist schön. Wenngleich zu befürchten ist, dass er es nicht im Sinne der Alltagssprache meint („Ich bin auch kein Engelchen, ich mach schon mal einen drauf …“) sondern im biblisch-predigerischen Sinne („Engel als Gesandter Gottes“). In dem Fall wäre es mir ebenfalls lieber, er hätte kein Dementi für nötig befunden.

 

Islamische Fakultät im Interesse von Christenprivilegien

Islamischer Predigtbalkon in Tübingen, Foto: Luca Cinacchio

Islamischer Predigtbalkon in Tübingen, Foto: Luca Cinacchio

Heute eröffnet Bundesbildungsministerin Annette Schavan in Tübingen das erste Bildungszentrum für islamische Theologie an einer deutschen Universität. Es wird dabei viel die Rede sein von der Notwendigkeit eines europäischen, liberalen Islams und von fehlenden islamischen Religionslehrern. Nicht die Rede ist von den Interessen der christlichen Kirchen. Damit die nämlich ihre Privilegien gesichert bekommen – zum Beispiel die Aufsicht über Religionsunterricht und konfessionelle Uni-Lehrstühle -müssen die Muslime jetzt mal dasselbe erhalten. Werdet so wie wir. Dann können wir bleiben wie wir sind.

Eine nicht so unwahrscheinlicher Blick in die Zukunft, aus dem Kirchenhasserbrevier (Heyne Verlag, 2010): Weiterlesen

Rasterfahndung gegen Papstmessebesucher

Anmeldeformular der Bischöfe im Web

Anmeldeformular der Bischöfe im Web

Eine „unzulässige Rasterfahnundung“ nennt der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer Thilo Weichert das, was die katholische Kirche in Deutschland mit den Besuchern der Papstmessen beim Besuch von Benedikt XVI in Deutschland macht. Alle müssen sich anmelden und persönliche Daten angeben, die sie eindeutig identifizierbar machen durch Angabe von Geburtsort und Geburtstag. 175.000 Anmeldungen hat die Kirche schon gesammelt für die Papst-Events in Berlin, Freiburg und Münster. Tausende von ihnen müssen damit rechnen, dass ihre Daten einer Zuverlässigkeitsüberprüfung durch das Bundeskriminalamt unterzogen werden – eine Tatsache, auf die sie nicht hingewiesen werden. Weiterlesen

Lazisten in der SPD – 2011 offiziell?

Digitales Radio

Deutschlandfadio sendete heute über SPD Laizisten - im Internet nachzuhören

Im Jahr 2011 wollen die SPD-Laizisten zu einem offiziellen Parteiarbeitskreis werden. Sie planen Diskussionsveranstaltungen, um den Parteivorstand dafür weich zu klopfen. Denn bisher war die Reaktion ablehnend.

Über die Hintergründe hat heute der Deutschlandfunk einen Bericht von Ulli Schauen in der Sendung „Tag für Tag“  gesendet, mit O-Tönen von Ingrid Matthäus-Maier und den SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz von den Laizisten und Kerstin Griese vom AK Christinnen und Christen. Wieder mal geht es um „christlich-jüdische Werte“. Hier ist der Link zum Podcast des Beitrages:

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2011/01/12/dlf_20110112_0936_08bea612.mp3

Systemerhaltendes grünes Kirchen-Wischi-Waschi

Sonnenblume fuer ein neues Grünen-Logo (Arbeitsversion)

Sonnenblume fuer ein neues Grünen-Logo (Arbeitsversion)

Die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Freiburg hat an diesem Wochenende einen Wischi-Waschi-Beschluss zum Verhältnis von Kirche und Staat gefasst. Einen Beschluss, der keinem weh tut. Damit machten die Delegierten eine Kurve um zwei konkurrierende Beschlussvorlagen, mit denen sich die Partei konkret in Position gesetzt hätte. Weiterlesen

Christian Wulff: Da fehlt doch was!

Foto: Franz Richter, Verschrägung: Ulli Schauen

Lieber Herr Bundespräsident, danke für Ihre Rede zum Jubiläum der deutschen Einheit am 3. Oktober 2010. Ich freue mich, dass mit der sie für ein Land der kulturellen Vielfalt eintreten. (= multikulti) Doch so manche Kultur haben Sie dabei wohl nicht im Blick. Weiterlesen

Trauerrituale mit und ohne Kirchen

Manche Fotos auf dem Asphalt zeigen Gestorbene, Foto: Ulli SchauenDie Gesellschaft braucht die Hilfe der Kirchenriten nicht mehr, um tragische Erlebnisse zu verarbeiten. Während in der Woche nach dem Unglück fast ständig hunderte von Trauernden die Unglücksstelle besuchten und um sie herum eine Wandzeitung und viele Trauersymbole hinterließen, hatten die offiziellen Kirchenvertreter auf der schlecht besuchten offiziellen Trauerfeier am Samstag danach nur ihre routiniert dargebotenen Glaubenssätze zu bieten.

Viel weniger Besucher als erwartet

Tunnel Karl-Lehr-Straße: Kerzenmeer und trauernde Menschen. Foto: Ulli SchauenDie Kameraregie des WDR schaffte es bei der ARD-Übertragung des Gottesdienstes aus der Duisburger Salvatorkirche nicht immer, die leeren Reihen aus dem Bild auszusparen, die in der 500 Menschen fassenden Kirche geblieben waren. Wer von den unterschiedlichen eingeladenen Gruppen – Angehörige, VIPs, Rettungskräfte – diese reservierten Plätze nicht in Beschlag genommen hatte, blieb offen. Im Duisburger MSV-Stadion versammelten sich zur Live-Übertragung der offiziellen Trauerfeier nur 2.600 Menschen. Wie viele es in den anderen Kirchen waren, blieb offen. Im Vorfeld waren noch „zehntausende“ Besucher erwartet worden, von der Polizei Duisburg gar bis zu 100.000 – wahrscheinlich aufgrund der Erfahrungen der ganzen Woche an der Unglücksstelle am Tunnel der Karl-Lehr-Straße.

Riten und Anteilnahme – selbst organisiert und wirkungsvoll

Duisburg, vier Tage nach dem Loveparade-Unfall: Immer mehr Menschen tragen sich auf einem Trauerplakat ein, Foto: Ulli Schauen

Ganz im Gegensatz dazu die von der Basis organisierte Trauer an der Unglücksstelle. Im Laufe der Woche wuchs dort eine von vielen einzelnen Besuchern gebaute Gedenkstätte. Ein Meer von Kerzen und Blumen umrahmt selbst gemalte Bilder, Fotos von Opfern, Gedichte, Texte, Pamphlete, Plüschtiere, Schals und Fahnen und Plakaten. An den Wänden des Tunnels entsteht eine von der Bevölkerung selbst geschriebene Wandzeitung, die der Wut, der Trauer, der Empörung und den Anklagen auf unterschiedliche Weise Ausdruck gibt. Ernst studieren Besucher alles, was dort steht, hängt und liegt. Gespräche miteinander über das was war. Ein traumatisierter Loveparade-Besucher, mit dem ich gesprochen habe, freute sich darüber, dass es diesen Ort gibt – und dass er dort Menschen fand, die ihn umarmten, wenn er wieder einmal zusammenzubrechen drohte.

Trauern ohne Redenschwingen

Mittwoch, 28. Juli: 800 Menschen laufen in einem Trauermarsch mit, der von MSV-Duisburg-Fans organisiert ist, Foto: Ulli Schauen

800 Menschen nahmen am Mittwochabend nach dem Unglück an einem Trauermarsch vom Unglückstunnel zum MSV-Stadion teil, wo das Testspiel zwischen Bochum und Duisburg stattfand. Auch diesen Ausdruck der Trauer hatte nicht von irgendein Komitee oder Vereinsvorstand organisiert, sondern er war von unten gewachsen: Fans von MSV-Duisburg hatten sich ab Montag in wachsender Zahl über Internetforen zu der Trauerkundgebung verabredet, bis die Medien über den Plan berichteten, erzählt Duisburg-Fan Bruno Gottschlich, einer der Initiatoren. Dass hierbei keine Reden gehalten wurden, vermissten die Teilnehmer des Trauerzuges nicht. Auch der MSV, der an diesem Abend ein „stilles Spiel“ ohne Aufheizphase mit Musik, Spielen und Interviews veranstaltete, nahm die Hilfe der Experten von der Kirche nicht in Anspruch. Sportdirektor Hübner: „Das machen wir selbst.“

Ein bescheidener Notfallseelsorger…

Mit Hilfe selbst gemalter Bilder, die an der Unglücksstelle niedergelegt werden, verarbeiten manche ihre Gefühle, Foto: Ulli Schauen

Mit Hilfe selbst gemalter Bilder, die an der Unglücksstelle niedergelegt werden, verarbeiten manche ihre Gefühle, Foto: Ulli Schauen

Im Tunnel lief am selben Abend ein „Notfall-seelsorger“ in seiner Leuchtweste auf und ab – er schien nicht besonders stark in Anspruch genommen zu werden. Notfallseelsorger gehören in solchen Fällen zu den meistinterviewten und bestakzeptierten Berufen; auch WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn bezeichnete ihre Arbeit im „ARD-Brennpunkt“ als „lebensnotwendig. Dieser Pfarrer allerdings war nicht pressegeil. Mein Hörfunkmikro schob er zur Seite, bat mich, doch die anderen Menschen an der Unglücksstelle zu befragen. Danke für diese Bescheidenheit.

.. und ein Schneider mit einnehmendem Wesen

Salvator-Kirche, 31. Juli, der Bischof Franz-Josef Overbeck und der rheinische Präses Nikolaus Schneider spenden den Abschlusssegen bei der Trauerfeier (Stillfoto aus ARD-Übertragung)

Bei der Trauerfeier in der Salvatorkirche hingegen sprachen zuverlässige Kirchenkader die Gebete und lasen die Bibeltexte. Und dort ließ der oberste Repräsentant der Protestanten, Präses Nikolaus Schneider, Bescheidenheit vermissen. Auch wenn‘s langweilig ist, weil Pfarrer schon oft über die „theodizäische Frage“ („Warum lässt Gott das zu?“) gesprochen und gepredigt haben – es lohnt sich manchmal, der theologischen Banalität näher zuzuhören. Vermessen sprach Schneider ständig vom „Wir“ und gemeindete die ganze Welt in seinem protestantischen Eifer ein. „UNSER Gottvertrauen … wollen WIR nicht einfach preisgeben“, postuliert er, und spricht dann das aus, was er persönlich für tröstend hält: „Der Tod ist nicht das letzte Wort. UNSER Tod auf der Erde ist gleichzeitig das offene Tor zu Gottes Reich. Deswegen können WIR auch sagen: UNSERE Toten sind nicht tot. Der Totentanz wandelt sich zu einem Fest unzerstörbaren Lebens.“ Wer‘s glaubt, dem mag der Verweis auf das Jenseits durch einen Vertreter der angeblich so diesseitigen Protestanten vielleicht helfen …

Differenzierender Co-Zelebrant

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck konnte immerhin etwas besser differenzieren als sein evangelischer Co-Zelebrant. Es ist offenbar schon bei Overbeck angekommen, dass nicht alle dasselbe glauben, was er glaubt. „MIR als Christ hilft es“, den Psalm 139 zu zitieren, meint er. „Das möchte ich Ihnen allen sagen.“ Aber so ganz kann auch er sich die Vereinnahmung jeglicher menschlicher Anteilnahme für religiöse Zwecke nicht verkneifen. Die für die 21 Toten angezündeten Kerzen sind für ihn zwar ein „Zeichen menschlicher Liebe“, aber einer „die auf Gott verweist.“

Eine Ministerpräsidentin wird persönlich

Im Unglückstunnel hat sich vor dem Stehpult mit dem Kondolenzbuch eine Schlange gebildet, Foto: Ulli Schauen

Im Unglückstunnel hat sich vor dem Stehpult mit dem Kondolenzbuch eine Schlange gebildet, Foto: Ulli Schauen

Hannelore Kraft hingegen, die neue NRW-Ministerpräsidentin, die nach dem Abschlusssegen der Kirchenoberen (also außerhalb des Gottesdienstes) auch sprechen darf, hat das ganze Verweisen auf das Jenseits und auf ein höheres Wesen nicht nötig. Sie spricht selten WIR oder UNS und ist ganz bei den Trauernden. Sie sagt: „Ich fühle selbst, wie schwer es ist, sich nach einer solchen Tragödie wieder dem Leben zuzuwenden.“ Und mehr als die verblendeten Funktionschristen bringt sie mit ihrer kaum verhüllten Kritik an Geltungssucht und Profitgier die Sache mit dem Zitat eines Vaters auf den Punkt: „Der grausame Tod seiner Tochter kann im Nachhinein noch einen Sinn bekommen, wenn der Tod uns mahnt, unser Wertesystem zu überdenken. Der Mensch, sein Wohlergehen und seine Sicherheit müssen wieder Leitlinie unseres Handelns sein, vor allen anderen Motiven.“

Da ist Nikolaus Schneider nicht drauf gekommen, vor lauter Jenseits-Rhethorik. Vielleicht sollte er so was mal in seinen Redebausteinkasten übernehmen, um seine Theologenroutine doch ein wenig attraktiver zu machen. Das allerdings fällt allen schwer, die es verlernt haben, für sich selbst zu sprechen statt für eine Institution.

Für die Kirchen ist das Rennen schon gewonnen

ein blaues Neonkreuz  ziert Schloss Bellevue, Montage: Ulli Schauen

Ob nun Christian Wulff oder Joachim Gauck Bundespräsident wird – für die Kirchen ist das Rennen schon zu ihren Gunsten gelaufen, denn beide Kandidaten stehen auf ihrer Seite. Von Ex-Pfarrer Gauck ist dies schon allein aufgrund seiner Biografie zu erwarten, und Wulff als aktiver Unterstützer des evangeliken Missionsvereins „ProChrist“ erscheint als ein noch stärkerer Verfechter des Christentums. Bei der Nominierung der Beiden tritt zutage, wie stark konfessionelles Denken immer noch in der Politik verankert ist. Gleich nach der Nominierung von Christian Wulff als Kandidat freute sich NRW-Integrationsminister Armin Laschet öffentlich darüber, dass „endlich“ wieder ein Katholik ins höchste Staatsamt gewählt werden sollte. Bisher war Heinrich Lübke der einzige katholische Bundespräsident. Zu Wulff, der eine Tochter auf ein katholisches Gymnasium geschickt hat, halten sich die deutschen Bischöfe allerdings anscheinend bedeckt. Grund könnte sein, dass er nach seiner Scheidung wieder geheiratet hat – mangels Annulierung der ersten ehe aber nur auf dem Standesamt. Damit hat er gegen die katholischen Kirchengesetze verstoßen. Der Vorsitzende des „Arbeitskreis Engagierter Katholiken“ in der CDU, Martin Lohmann, begrüßte die Nominierung Wulffs, unter anderem mit der Begründung, Wulff sei als Katholik ein gutes Gegengewicht zur Protestantin Angela Merkel. Umgehend geriet Lohmann aber in der katholischen Szene unter Beschuss. In einer nachgeschobenen Erklärung betonte er laut kath.net, sein Verein gehe weiterhin von der „Unauflöslichkeit der Ehe“ aus und erwarte, dass sich Wulff am „christlichen Menschenbild“ orientiere. In einem Bericht über Wulffs zweite Hochzeit 2008 hatte die „Bunte“ einen Gast mit den Worten zitiert, ein Jahr später werde kichlich geheiratet, „sie haben noch etwas zu regeln.“ Wenn dies stimmt, hatte Wulff entweder eine evangelische Eheschließung oder ein katholisches Eheannulierungsverfahren – dessen oft absurden und bigotten Ablauf habe ich im Kirchenhasser-Brevier beschrieben.
Bei den Vertretern der Konfessionslosen und Humanisten herrsche  aus vielen anderen Gründen schon „Entsetzen“ über den „Wulff im Schafspelz“, berichtet Arik Platzek auf wissenrockt.de.
Dass Wulff in Niedersachsen eine bekennende Muslima zur Ministerin gemacht hat, für einen Staatsvertrag mit dem Islam eintritt und flächdeckend islamischen Religionsunterricht fordert, ist nur auf den erste Blick ein Widerspruch zu seiner Christenverwurzelung. Denn dass die Kirchenvertreter und ihre Politiker vehement gleiche Rechte für den Islam fordern ist logisch. Wie könnten sie sonst auf ihren eigenen Sonderrechten beharren?
Mal abgesehen davon, dass Ex-Pfarrer Gauck in Sachen Religion abgeklärter erscheint als jemand wie Wulff, der das schwärmerische „Evangelisieren“ und den christlichen Absolutheitsanspruch nach Art von ProChrist gutheißt – der neue Bundespräsident wird allemal dafür eintreten, dass Kirche und Staat in Deutschland weiterhin auf eine absurde Weise verschränkt bleiben wie bisher.

Kirchenmäuse und Kirchenfunktionäre im höchsten Staatsamt

Fromme Kuttenträgerin mit Nachtgeschirr und Kerze - Nippesfigur

Foto: Josep Altarriba

Sollte Ursula von der Leyen tatsächlich zur Kandidatin für das Bundespräsidentenamt nominiert werden, so wäre wieder einmal eine große Fürsprecherin der Kirchen auf dem Weg ins höchste Staatsamt. Die Protestantin von der Leyen ging als Familienministerin so weit, dass sie 2008 die Schirmherrschaft über das missionarische „Christival“ der evangelikalen Protestanten übernahm. Und 2006 lud sie zu einem »Bündnis für Erziehung« zunächst ausschließlich die beiden christlichen Kirchen ein.

Begründung war die Macht des Faktischen: 72 Prozent der nichtstaatlichen Kindergärten seien nun mal in konfessioneller Hand, sagt Frau von der Leyen. Außerdem: „Unsere gesamte Kultur gründet sich auf die christliche Kultur.“ (Kirchenhasserbrevier, S. 262).

Die Verflechtung der protestantischen Kirche mit dem höchsten Staatsamt hat eine lange Tradition. Gustav Heinemann und Johannes Rau, Roman Herzog und Friedrich von Weizsäcker waren alle in hohen ehrenamtlichen Funktionen bei den Evangelischen. Entweder sie saßen in der Synode der EKD (Herzog und von Weizsäcker, letzterer sogar im Rat der EKD) oder sie waren Vorsitzende von Evangelischen Kirchentagen (Weizsäcker – Heinemann, neben weiteren Funktionen).

Johannes Rau war, wenn wikipedia nicht irrt, sogar während seiner Amtszeit als NRW-Ministerpräsident in der Synode, dem entscheidenden Gremium der Rheinischen Landeskirche (von 1965 bis 1999) und zeitweise Stellvertreter in der rheinischen Kirchenleitun. Roman Herzog hat außerdem fünf Jahre lang (1978-1983) den Evangelischen Arbeitskreis der CDU geleitet und von 1981 bis 1994 die Wochenzeitung „Christ und Welt / Rheinischer Merkur“ mit herausgegeben.

Horst Köhler hingegen scheint seine Neigung zur Kirche erst während seiner Präsidentschaft ausgelebt zu haben, zum Beispiel mit den üblichen Besuchen auf dem evangelischen Kirchentag und Kanzelansprachen/Predigten.

Auffällig ist, dass bisher nur ein Bundespräsident katholisch war – Heinrich Lübke. Die Protestanten haben in Deutschland traditionell eine größere Staats- und Politiknähe. Von den beiden FDP-Präsidenten Theodor Heuss und Walter Scheel sind auf wikipedia keinerlei religiöse Aktivitäten vermerkt.