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Für die Kirchen ist das Rennen schon gewonnen

ein blaues Neonkreuz  ziert Schloss Bellevue, Montage: Ulli Schauen

Ob nun Christian Wulff oder Joachim Gauck Bundespräsident wird – für die Kirchen ist das Rennen schon zu ihren Gunsten gelaufen, denn beide Kandidaten stehen auf ihrer Seite. Von Ex-Pfarrer Gauck ist dies schon allein aufgrund seiner Biografie zu erwarten, und Wulff als aktiver Unterstützer des evangeliken Missionsvereins „ProChrist“ erscheint als ein noch stärkerer Verfechter des Christentums. Bei der Nominierung der Beiden tritt zutage, wie stark konfessionelles Denken immer noch in der Politik verankert ist. Gleich nach der Nominierung von Christian Wulff als Kandidat freute sich NRW-Integrationsminister Armin Laschet öffentlich darüber, dass „endlich“ wieder ein Katholik ins höchste Staatsamt gewählt werden sollte. Bisher war Heinrich Lübke der einzige katholische Bundespräsident. Zu Wulff, der eine Tochter auf ein katholisches Gymnasium geschickt hat, halten sich die deutschen Bischöfe allerdings anscheinend bedeckt. Grund könnte sein, dass er nach seiner Scheidung wieder geheiratet hat – mangels Annulierung der ersten ehe aber nur auf dem Standesamt. Damit hat er gegen die katholischen Kirchengesetze verstoßen. Der Vorsitzende des „Arbeitskreis Engagierter Katholiken“ in der CDU, Martin Lohmann, begrüßte die Nominierung Wulffs, unter anderem mit der Begründung, Wulff sei als Katholik ein gutes Gegengewicht zur Protestantin Angela Merkel. Umgehend geriet Lohmann aber in der katholischen Szene unter Beschuss. In einer nachgeschobenen Erklärung betonte er laut kath.net, sein Verein gehe weiterhin von der „Unauflöslichkeit der Ehe“ aus und erwarte, dass sich Wulff am „christlichen Menschenbild“ orientiere. In einem Bericht über Wulffs zweite Hochzeit 2008 hatte die „Bunte“ einen Gast mit den Worten zitiert, ein Jahr später werde kichlich geheiratet, „sie haben noch etwas zu regeln.“ Wenn dies stimmt, hatte Wulff entweder eine evangelische Eheschließung oder ein katholisches Eheannulierungsverfahren – dessen oft absurden und bigotten Ablauf habe ich im Kirchenhasser-Brevier beschrieben.
Bei den Vertretern der Konfessionslosen und Humanisten herrsche  aus vielen anderen Gründen schon „Entsetzen“ über den „Wulff im Schafspelz“, berichtet Arik Platzek auf wissenrockt.de.
Dass Wulff in Niedersachsen eine bekennende Muslima zur Ministerin gemacht hat, für einen Staatsvertrag mit dem Islam eintritt und flächdeckend islamischen Religionsunterricht fordert, ist nur auf den erste Blick ein Widerspruch zu seiner Christenverwurzelung. Denn dass die Kirchenvertreter und ihre Politiker vehement gleiche Rechte für den Islam fordern ist logisch. Wie könnten sie sonst auf ihren eigenen Sonderrechten beharren?
Mal abgesehen davon, dass Ex-Pfarrer Gauck in Sachen Religion abgeklärter erscheint als jemand wie Wulff, der das schwärmerische „Evangelisieren“ und den christlichen Absolutheitsanspruch nach Art von ProChrist gutheißt – der neue Bundespräsident wird allemal dafür eintreten, dass Kirche und Staat in Deutschland weiterhin auf eine absurde Weise verschränkt bleiben wie bisher.