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Pfarrer Gaucks Dementis

Bundespräsident Gauck bei Besuch im Kölner Rathaus mit roter Kravatte und hoch gestrecktem Kinn

Foto: © Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

„Ich bin kein Heilsbringer“, sagte Pfarrer Gauck nach seiner Wahl.

Wie kommt er eigentlich darauf, er müsse DAS dementieren?

Ist es der Gipfel der Bescheidenheit, dass der oberste Prediger der Nation sich nicht für den Messias hält?
Auf den Mann müssen wir acht geben.

Immerhin, ein „Engel“ sei er auch nicht, sagte Gauck dem Sender n-tv. Das ist schön. Wenngleich zu befürchten ist, dass er es nicht im Sinne der Alltagssprache meint („Ich bin auch kein Engelchen, ich mach schon mal einen drauf …“) sondern im biblisch-predigerischen Sinne („Engel als Gesandter Gottes“). In dem Fall wäre es mir ebenfalls lieber, er hätte kein Dementi für nötig befunden.

 

Streiken im „Weinberg des Herrn“!

Weinberg mit der Vogelscheuche Streik ;-)

Weinberg mit der Vogelscheuche Streik 😉

Am Donnerstag, 13. Januar 2010 verhandelt das Landesarbeitsgericht Hamm über das Streikrecht bei den Kirchen. Es gefiel der Diakonie in Westfalen nicht, dass die Gewerkschaft ver.di in 2009 zu Streiks aufgerufen hat. Sie möchte auf dem „Dritten Weg“ weiter wandeln: Keine Streiks, keine Aussperrung, einvernehmliche Lösungen. Das hat geklappt, solange die kirchlichen Arbeitgeber die Lohnabschlüsse aus dem Öffentlichen Dienst übernahmen. Die ÖTV hatte also für die kirchlichen Beschäftigten die Kastanien aus dem Feuer geholt. Weiterlesen

Der Fall Mixa und das System Kirche

Kleiner Mixa-Mix – Sedisvakanz. Installation von Wolfgang Keller, Mai 2010

"Kleiner Mixa-Mix – Sedisvakanz". Installation von Wolfgang Z. Keller, Mai 2010, Antiker Barocksessel, aufgerichtet, Teppichklopfer, Bischofsschuhe, HBT 91 x 73 x 80 cm

Nicht Bischof  Walter Mixa ist das Problem. Das Problem ist, dass ein feudalistisches System wie die katholische Kirche solche Menschen wie ihn in eine Position bringt, wo sie frei schalten und Unheil anrichten können. Eine Position, aus der ihn niemand anderes entlassen kann als ein einzelner Mann – der Papst.

Dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen sexuell bedrängt, wie es Mixa mit mindestens einem Priester getan haben soll – das kommt in vielen Unternehmen vor.  Dass eine Führungskraft die Kasse seines sozialen Projektes für Luxusanschaffungen zweckenfremdet – keine Spezialität der Kirchen. Dass leitende Angestellte Schutzbefohlene mit Worten und Taten misshandeln, wie es Mixa vorgeworfen wird – auch das kommt nicht nur bei den Kirchen vor.

Doch was all den Amtsmissbrauch erleichtert und oft auch verschlimmert, ist die Kirchenhierarchie. Ein Bischof steht in der vierten Hierarchieebene dieser Institution – wovon die beiden ersten – Gott und Petrus dauerabwesend und schweigsam sind. Niemand als der Papst ernennt ihn, nach Konsultationen mit dem Kirchenapparat. Wenn der Bischof erst einmal auf  seinem Stuhl sitzt, dann hat er – allen Diözesanräten zum Trotz – absolute Macht in seinem Bistum. Er ist oberster Gerichtsherr und oberster Arbeitgeber, er erlässt Gesetze und Verordnungen und hat Verfügungsgewalt über die Kasse des bischöflichen Stuhls.  Die staatlichen Gesetze garantieren ihm in seiner Verwaltung absolute Bewegungsfreiheit, der Bischof kann heuern und feuern wie er mag. Mitwirkungsrechte und Transparenz lässt der Bischof zu, wie er mag – und entzieht sie gegebenenfalls auch wieder.

In seinem Reich versprechen höfische Günstlingswirtschaft,  Geraune und Mobbing, Liebedienerei und Falschheit mehr Karrierereerfolg als eine ernsthafte Arbeit „am Weinberg des Herrn.“ Wenn der Bischof ein „guter“, ein „weiser“ Fürst ist, dann fällt seine allumfassende Macht nicht so sehr auf – Laien und Klerus schätzen und verehren ihn. Womöglich lässt sich mit ihm trefflich reden und offen diskutieren. Doch auch ein weiser Fürst bleibt absolutistischer Herrscher. Alles was unter ihm gedeiht, kann sein Nachfolger schon wieder zunichte machen.

Und was können die Leidenden der katholischen Kirche gegen einen Mann vom Schlage Mixas machen? Es bleibt ihnen nichts anderes als Geraune und Anpassung, Larvieren und Nichauffallen. Einen Erfolg versprechenden Kanal für ihre Unzufriedenheit haben die „Schafe“ nicht, die unter einem solchen  „Hirten“ leiden. Sie laufen Gefahr, dass ihnen das Fell geschoren und dass sie geschlachtet werden, wenn es dem Hirten gefällt.

Ganz selten ist es, dass sie – wie nun b ei Mixa – ihre Chance bekommen. Dann aber nützen auch den Untergebenen des Bischofs die Mittel, die sonst ihm zu Diensten stehen: Mobbing und Intrige. Das ist das Tragische am Fall Mixa. Vor über zehn Jahren haben Vertraute aufgeschnappt, wie er angeblich einen Priester im Urlaub homophil bedrängte. Jetzt erst hat diese lange gehütete Information Folgen. Seit langem gilt ein Alkoholproblem Mixas als offenes Geheimnis. Seine Selbstherrlichkeit und Selbstüberschätzung haben alle erleben können, die von ihm gelesen haben oder ihn im Fernsehen sahen. Doch so lange der Schein nach außen gewahrt bleiben konnte, blieb Mixa wo er war – ganz oben. Es in der Kirchenhierarchie keine eingebauten Mechanismen der Korrektur.

Bischöfe gelten via Papst als von Gott eingesetzt – wer darf an so einem Gottesvertreter herum  kritteln? Deshalb ist es in letzter Instanz die Bezugnahme auf einen absoluten Gott, der diesem Apparat im Wege steht. Es ist ein dem System Kirche innewohnender, nicht zu beseitigender Fehler.

Ulli Schauen

(Die Installation auf dem Foto wurde im Mai 2010 in Schrobenhausen ausgestellt, dem früheren Wirkungsort des Stadtpfarrers Walter Mixa – zur Website des Künstlers Wolfgang Z. Keller)

Für die Kirchen ist das Rennen schon gewonnen

ein blaues Neonkreuz  ziert Schloss Bellevue, Montage: Ulli Schauen

Ob nun Christian Wulff oder Joachim Gauck Bundespräsident wird – für die Kirchen ist das Rennen schon zu ihren Gunsten gelaufen, denn beide Kandidaten stehen auf ihrer Seite. Von Ex-Pfarrer Gauck ist dies schon allein aufgrund seiner Biografie zu erwarten, und Wulff als aktiver Unterstützer des evangeliken Missionsvereins „ProChrist“ erscheint als ein noch stärkerer Verfechter des Christentums. Bei der Nominierung der Beiden tritt zutage, wie stark konfessionelles Denken immer noch in der Politik verankert ist. Gleich nach der Nominierung von Christian Wulff als Kandidat freute sich NRW-Integrationsminister Armin Laschet öffentlich darüber, dass „endlich“ wieder ein Katholik ins höchste Staatsamt gewählt werden sollte. Bisher war Heinrich Lübke der einzige katholische Bundespräsident. Zu Wulff, der eine Tochter auf ein katholisches Gymnasium geschickt hat, halten sich die deutschen Bischöfe allerdings anscheinend bedeckt. Grund könnte sein, dass er nach seiner Scheidung wieder geheiratet hat – mangels Annulierung der ersten ehe aber nur auf dem Standesamt. Damit hat er gegen die katholischen Kirchengesetze verstoßen. Der Vorsitzende des „Arbeitskreis Engagierter Katholiken“ in der CDU, Martin Lohmann, begrüßte die Nominierung Wulffs, unter anderem mit der Begründung, Wulff sei als Katholik ein gutes Gegengewicht zur Protestantin Angela Merkel. Umgehend geriet Lohmann aber in der katholischen Szene unter Beschuss. In einer nachgeschobenen Erklärung betonte er laut kath.net, sein Verein gehe weiterhin von der „Unauflöslichkeit der Ehe“ aus und erwarte, dass sich Wulff am „christlichen Menschenbild“ orientiere. In einem Bericht über Wulffs zweite Hochzeit 2008 hatte die „Bunte“ einen Gast mit den Worten zitiert, ein Jahr später werde kichlich geheiratet, „sie haben noch etwas zu regeln.“ Wenn dies stimmt, hatte Wulff entweder eine evangelische Eheschließung oder ein katholisches Eheannulierungsverfahren – dessen oft absurden und bigotten Ablauf habe ich im Kirchenhasser-Brevier beschrieben.
Bei den Vertretern der Konfessionslosen und Humanisten herrsche  aus vielen anderen Gründen schon „Entsetzen“ über den „Wulff im Schafspelz“, berichtet Arik Platzek auf wissenrockt.de.
Dass Wulff in Niedersachsen eine bekennende Muslima zur Ministerin gemacht hat, für einen Staatsvertrag mit dem Islam eintritt und flächdeckend islamischen Religionsunterricht fordert, ist nur auf den erste Blick ein Widerspruch zu seiner Christenverwurzelung. Denn dass die Kirchenvertreter und ihre Politiker vehement gleiche Rechte für den Islam fordern ist logisch. Wie könnten sie sonst auf ihren eigenen Sonderrechten beharren?
Mal abgesehen davon, dass Ex-Pfarrer Gauck in Sachen Religion abgeklärter erscheint als jemand wie Wulff, der das schwärmerische „Evangelisieren“ und den christlichen Absolutheitsanspruch nach Art von ProChrist gutheißt – der neue Bundespräsident wird allemal dafür eintreten, dass Kirche und Staat in Deutschland weiterhin auf eine absurde Weise verschränkt bleiben wie bisher.